A World of Wild Doubt
26. Januar bis 14. April 2013
Ausgangspunkt der Ausstellung ist der Roman Der Mann der Donnerstag war des englischen Schriftstellers G. K. Chesterton aus dem Jahr 1908. In der mysterösen Kriminalgeschichte über einen siebenköpfigen Anarchistenrat, der in Wahrheit aus Spitzeln der Londoner Geheimpolizei besteht, wird die Angst vor einer Welt im permanenten Ausnahmezustand beschrieben. Die Gefahr geht von Künstlern und Intellektuellen aus. Der Text spinnt ein verwirrendes Netz aus Überwachung und Furcht, nimmt metaphysische Wendungen und mündet in heillosem Chaos. Verhandelt wird nichts geringeres als die Frage, was echte Anarchie ausmacht. Sind die ordnungsliebenden Polizisten die wahren Anarchisten? Basiert das Gesetz zwangsläufig auf dem Akt seiner Überschreitung?
A World of Wild Doubt ist keine Ausstellung über als vielmehr ein kuratorisches Experiment mit dem Mann, der Donnerstag war. Es geht nicht um Textexegese, sondern die Besucher werden auf eine assoziative Reise mit historischen und aktuellen Bezügen voller diffuser Stimmungen und bedrohlich-grotesker Situationen geschickt. Zu diesem Zweck bauen und gestalten KünstlerInnen Räume, die sich kritisch mit szenografischer Architektur auseinandersetzen. Die von Unbehagen bis hin zu Paranoia gesättigten Atmosphären des Romans finden vielfältige Resonanzen in der Gegenwart. In Zeiten, in denen der deutsche Verfassungsschutz Attentate von Neonazis ermöglicht oder kriminelle Bankster die globalen Finanzmärkte ausplündern, ist politisch-philosophische Uneindeutigkeit, wie sie Chesterton in ihren Ursachen und Konsequenzen ausmalt, ebenso aktuell wie die Frage, ob ein System von innen heraus erneuert werden kann oder durch einen kommenden Aufstand gesprengt werden muss. So verbindet die Ausstellung die Skepsis der klassischen Moderne gegenüber absoluter Freiheit mit der gegenwärtigen zwischen Überwachung und Paranoia oszillierenden Stimmung sowie der Kritik an der Vorherrschaft neoliberaler und plutokratischer Gesellschaftsmodelle. Doch ist Der Mann, der Donnerstag war auch eine Verteidigung des Unsinns. Und diese Sinnverweigerung nimmt der Roman sehr ernst, denn der Untertitel lautet: Eine Nachtmahr. Dem pessimistischen, anti-modernen Tenor werden die befreienden Kräfte künstlerischer Praktiken entgegengesetzt, die neue Perspektiven schaffen, ohne in Eskapismus zu verfallen. Mit britischem Humor befragen Buch wie Ausstellung bürgerliche Ängste vor revolutionären Aufständen und die Macht des von (anarchistischen) Polizisten geschützten Gesetzes. Die beteiligten KünstlerInnen nehmen diese Bezüge auf und spinnen sie weiter. Einige der Arbeiten entstehen eigens für A World of Wild Doubt, andere Positionen bestätigen die schlimmsten Vorahnungen oder formulieren Alternativen. Zusätzlich versammelt ein Wonderwall diverse Materialien wie frühe anarchistische Pamphlete, Punkplatten, Bücher, Comics, Grafiken und Ephemera.
Allen BesucherInnen wird die deutsche Version des Romans ausgehändigt; im März 2013 erscheint der Katalog bei Sternberg Press. Die Ausstellung möchte Impulse geben, flankiert von Vorträgen und Gesprächen alternative Strategien zu entwickeln und zu diskutieren, wie den gegenwärtigen Krisen anders als mit Resignation begegnet werden kann.
KünstlerInnen
Thomas Bechinger, Tessa Farmer, Andreas Fischer, Gilbert & George, Mike Kelley, Joachim Koester, Mark Lombardi, Olaf Metzel, Wilhelm Mundt, Bruce Nauman, Tony Oursler, Marten Schech, Max Schulze, Andreas Slominski, Suzanne Treister
KünstlerInnen Wonderwall
Anarchiks, Martin Assig, Tim Boxell, G. K. Chesterton, Robert Crumb, Kim Deitch, Jeremy Deller, Friedrich Einhoff, Will Elder, James Ensor, Jim Franklin, Rodney Graham, Bill Griffith, Rainer Hachfeld, Rand Holmes, Heino Jaeger, Horst Jansen, Hubert Kiecol, Jay Kinney, Denis Kitchen, Christof Kohlhöfer, David Lloyd, Bobby London, Paul Mavrides, Cildo Meireles, Norman Mingo, Sigmar Polke, Antonio Prohías, Gregor Schneider, Rolf Stieger, Félix Vallotton, Lawrence Weiner, Stephen Willats, Louis Zansky
KuratorInnen
Dorothee Böhm, Petra Lange-Berndt, Michael Liebelt, Dietmar Rübel