2017, 9.-13. Oktober, Studienkurs Warburg-Haus, Hamburg
Organisiert von Petra Lange-Berndt & Isabelle Lindermann
Seit dem 19. Jahrhundert experimentiert eine Vielzahl von Künstler*innen mit Formen kollektiver Arbeit, dem Wohnen in Kolonien und Kommunen oder aktivistischen Praktiken in Verbünden. In einer post-kommunistischen Welt werden solche Projekte erneut aufgegriffen. In diesem Studienkurs möchten wir daher fragen: Inwiefern ist es heute relevant, mit einer kollektiven Stimme zu sprechen? Unter welchen Bedingungen ist es notwendig, sich in kollaborativen Strukturen zu organisieren, welche Dynamiken entstehen? Was heißt es, gemeinsam auf einer Plattform zu sprechen, sich als Gruppe, Kooperative, Kommune, Netzwerk, Sekte, Horde, Rudel oder Schwarm zu versammeln? Und mit welchen Strategien setzten sich Künstler*innen für Veränderungen ein oder schlagen alternative Lebenskonzepte vor?
Kollektive Aktionen sind eng mit einer Kritik am „neuen Geist des Kapitalismus“ (Boltanski / Chiapello) sowie den gegenwärtigen Krisen verbunden. Durch die Verbindung von Kunst und Aktivismus lassen sich in diesem Testfeld soziale Beziehungen – und ihre Konsequenzen in alltäglichen Kontexten – exemplarisch untersuchen (Bourriaud / Bishop). Teilweise stärken diese Prozesse jene Institutionen, die diese Events kontrollieren und symbolisches Kapital in Form von Aufmerksamkeit akkumulieren. Gleichzeitig sind künstlerische Strategien auszumachen, die auf produktive Weise die Frage stellen, ob und wie den digitalen Netzwerken der postfordistischen Gesellschaft oder dem neoliberalen Konzept der Ikea Familie entkommen und wie diese Strukturen umgenutzt werden können. Daher wollen wir uns ebenfalls versammeln und die historischen wie gegenwärtigen Bedeutungen diskutieren, die sich mit kollektiven und kollaborativen künstlerischen Strategien verknüpfen. Ist ein Nachleben der utopischen Konzepte der frühen Avantgarden zu verzeichnen? Wie wurden sie dem aktuellen Kapitalismus angepasst, beziehungsweise wie hat er sich diese Konzepte einverleibt? Welche vielhändigen Praktiken sind auszumachen, wie genau können die Arbeitsprozesse beschrieben werden? Welche Rollen, welche Positionen, nehmen die Körper jener ein, die sich in kollektiven Verbünden versammeln und über welches kritische Potential verfügen sie (Butler)? Wie ist der psychologische Aspekt des Mit-Seins und damit der Prozess des Entstehens einer Gemeinschaft zu beschreiben (Nancy)? Ist es möglich, Kollektive zu bilden, die als Pluralität funktionieren aber in denen das „Wir“ nicht als Totalität agiert? Sind Kollektive überhaupt für eine Machtkritik im erweiterten Feld der Künste geeignet? Und was bedeutet dies für die Praktiken der Kunst und der Kunstgeschichte?
Teilnehmer*innen: Bill Balaskas (Nottingham), Petra Belc (Zagreb), Ana Bilbao (London), Julia Ramiréz Blanco (Madrid), Jacopo Galimberti (Berlin), Suzannah Henty (Paris), Journal for Northeast Issues (Alexandra Köhring, Christoph Rauch, Monika Wucher, Hamburg), Lucy Lopez (Birmingham), David Morris (London), Geneva Moser (Bern), Wylie Schwartz (Binghamton), Friederike Sigler (Dresden), Francesco Spampinato (Mailand), Jordan Troeller (Berlin), Sarah Wade (London), Kristin Watterott (Prag), Clara Wörsdörfer (Mainz), Samira Yildirim (München)
Experimentelles Abendessen by a.ACHAT kitchen (Berlin), Comune, Gängeviertel, Hamburg
Abendvortrag von Sabeth Buchmann (Berlin / Wien)